Züchtertour Brandenburg & Mecklenburg-Vorpommern im Juni 2015

Züchtertour im Juni 2015
Bericht von Maria Rieken

Nachdem die Züchtertour im letzten Jahr so begeistert aufgenommen wurde, fuhren die Mitglieder der Galloway Interessengemeinschaft Nord e.V. (GIN) vom 05. bis zum 07. Juni 2015 erneut los. Wieder über die Grenzen Schleswig-Holsteins hinaus, dieses Mal nach Brandenburg und Mecklenburg Vorpommern.

Die Anreise zum Hotel in Pritzwalk erfolgte individuell bereits am Freitagabend, so dass schon der ganze Samstag für Unternehmungen zur Verfügung stand. Am nächsten Morgen stand erst einmal eine touristische Fahrt auf dem Programm, denn die Teilnehmer sollten gleich einen Eindruck der wunderschönen Landschaft der neuen Bundesländer bekommen. Was bietet sich da mehr an als eine Seenfahrt auf der Müritz mit anschließendem Rundgang durch Waren? Allein die Fahrt dorthin war einzigartig, und die angekündigten Gewitter hielten sich den ganzen Tag dezent zurück.

Der erste züchterische Programmpunkt nahm den ganzen Nachmittag in Anspruch. Auf dem in Möllenhagen gelegenen Bauernberg, der dem Galloway-Zuchtbetrieb der Familie Koch den Namen gab, existieren heute wieder vier private Bauernhöfe. Frau Koch stellt uns ihren Betrieb ausführlich vor. Ab 1820 wurde er als Erbpachthof im Haupterwerb mit Kühen, Pferden, Schweinen und Hühnern betrieben. 1957 bis 1990 wurden die Flächen durch die landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft bewirtschaftet. 1991 ging der Hof im Verlauf der Privatisierungen wieder in Familienbesitz über, jetzt im Nebenerwerb Im gleichen Jahr wurden auch die ersten Herdbuch- Gallowaykühe angeschafft. Die Vermehrung der 3 Herdbuch Gallowaykühe war sehr langwierig, da die meiste Nachzucht aus Bullen bestand. In den 90igerJahren waren zusätzlich 7 Kreuzungskühe im Bestand. Erst im Jahr 2000, mit dem Kauf des Bullen Cito und der Färse Karen 4 konnte der Herdbuch-Kuhbestand erhöht werden. Karen 4 hat jedes Jahr ein Färsenkalb geliefert. Diese wurden alle behalten. Es wurden Bullen mit kanadischem Blutanteil eingesetzt, um Rahmen und Fleischansatz zu erhöhen. Seit 2010 ist der rote halbkanadische Bulle Neandertal Watussi im Einsatz und hat seine Farbe einem Teil seiner Nachkommen weiter vererbt. Seine weibliche Nachzucht läuft zusammen mit dem erst 3-jährigen schwarzen Bulle Enno v. Bechtelsberg, der demnächst den alten Bullen als Herdenbullen ablösen, und dann zuständig sein wird für die derzeitig 12 Kühe und 4 tragenden Färsen des Betriebes. Insgesamt beträgt der Tierbestand 41 Tiere, wobei die derzeitigen Kalbungen die Zahl täglich erhöhen kann.

Die Vermarktung kann noch optimiert werden. Einige Rinder werden als Zuchttiere abgegeben und die Schlachttiere werden entweder an den kommerziellen Schlachthof geliefert, oder an einen Zwischenhändler verkauft, der das Fleisch via Internet vermarktet. Ein wenig Neid erzeugte bei den Besuchern die Lage der 36 ha Eigenland, das direkt an das Wohngebäude anschließt. Eine Kaffeetafel rundete den Besuch ab.

Bilder zum Besuch bei der Familie Koch gibt es in der Galerie.

Die längere Fahrt zurück zum Hotel führte über Plau am See und anderen bekannten Orten, wiederum durch beeindruckende Felder und Wälder. Beim gemeinsamen Abendbrot im Hotel klang der erste Tag aus.

Am Sonntagmorgen begrüßten Marianne Wille und ihr Mann Holger die Züchter bei strahlendem Sonnenschein in Heiligengrabe. Frau Wille erzählte, wie sie durch die kleine zur Aufbesserung der eigenen Versorgung betriebene Landwirtschaft der Eltern zu DDR-Zeiten angesteckt wurde. Sie wäre gerne Tierärztin geworden. Für die damalige Regierung war sie nicht privilegiert, da sie konfirmiert war und nicht die übliche Jugendweihe erhalten hatte. So wurde sie zum Facharbeiter für Tierproduktion ausgebildet, ihr Mann zum Facharbeiter für Pflanzenproduktion, dem er später das Studium der Landwirtschaft anschloss. Zur Zeit der Wende, als die nahe liegende LPG aufgelöst wurde, kauften oder pachteten sie Splitterflächen, die zu klein oder zu schlecht gelegen für Ackerbau waren. Da keine Stallungen vorhanden waren, begeisterten sie die extensiven Galloways sofort. 1992 kauften sie 2 tragende Kühe mit Kälbern bei Fuß, mussten dafür sogar extra einen Kredit aufnehmen. Die Landwirtschaft war erst Nebenerwerb, später Haupterwerb. 90 ha Grünland, davon 10% Eigenland und 160 ha Ackerflächen mit Roggen, Weizen und Mais werden bewirtschaftet.

Die Gallowayherde ist mittlerweile auf 35 Mutterkühe angewachsen, die mit dem 4 Jahre alten Bullen Nordstern, aus der Zucht von Friedrich Wiechmann, den Besuchern durch ihre Ausgeglichenheit sofort gefällt. Auch die Jungbullen und die Absetzer-Färsen auf anderen Weiden bestätigen diesen Eindruck.

Zurück am Haus zeigte Frau Wille die Räume zur Vermarktung des Fleisches. Es werden 2 Tiere pro Monat der Schlachtung in einem kleinen familiär geführtem Schlachthof zugeführt. 80% des Fleisches ist vorbestellt und wird als gemischte Fleischpakete ab 10 kg verkauft. Der Rest wird als Teilstücke angeboten oder verwurstet. Zusätzlich werden auch ein paar Schweine gehalten, die das Fleisch-Angebot ergänzen. In einem kleinen Verkaufsraum direkt am Haus werden die Waren auch zwischen den Schlachttagen angeboten.
Von der Qualität und dem Geschmack konnte sich die Gruppe gleich überzeugen: zum Mittagessen gab es leckere Grillwürste vom Rost, hergestellt aus Gallowayfleisch mit etwas Schwein; für die meisten etwas ungewohnt, denn sie waren viereckig und ohne Darm.

Bilder zum Besuch bei der Familie Wille gibt es in der Galerie.

Frisch gestärkt verließen die Teilnehmer den Preußenhof in Richtung Severin. Dort wartete die Familie Rühe, die ihren Wohnsitz in Parchim hat, um ihnen die Gallowayherde vom Zwillingshof zu zeigen. Der Senior stammt vom Bauernhof, konnte damals wegen der DDR-Politik den Hof nicht übernehmen, hielt sich aber neben der Arbeit immer zwei Bullen. Anfang der 90iger Jahre begann die Gallowayzucht mit ‚Biorasenmähern‘ auf einer 1,5 ha großen Wiese. Erst waren es Kreuzungstiere, im Jahre 2004 wurde dann umgestellt auf Herdbuch. Heute sind von 29 Mutterkühen 19 Herdbuchtiere. Diese teilen sich auf zwei Bullen auf, Quax und Paganini. Ein Nachwuchsbulle, Lasse, läuft noch in
der Herde der Schlachtbullen. Insgesamt gehören zu diesem Betrieb 140 Stück Vieh, davon 91 Galloways. Die anderen Rinder sind Fleckvieh, die auch ein altes Stallgebäude für den Winter zur Verfügung haben. Bewirtschaftet werden 120 ha, bestehend aus 80 ha Grünland und 40 ha Acker. Das Motto hier lautet: wir haben alles selbst und wir machen alles selbst. Von der Bearbeitung der landwirtschaftlichen Fläche bis zur Zerlegung und Verpackung des Fleisches sowie der Wurstherstellung. Nur die Schlachtung erfolgt auf dem Schlachthof, wobei die Schlachtkörper zum Abhängen gleich wieder zurückgeholt werden. Allein zur Zerlegung kommen zwei gelernte Schlachter auf den Hof.

Die Gruppe konnte draußen die Trecker und Geräte bewundern, und anschließend in einer ausgebauten Halle die komplette Einrichtung zur Zerlegung und Wurstherstellung mit Räucherei samt entsprechender Kühlzellen. Da der Verkauf von gemischten Fleischpaketen nicht funktionierte hat sich hier eine andere Vermarktungsstrategie entwickelt. Die Kunden werden per Email von der bevorstehenden Schlachtung informiert und können eine Wunschliste schicken, welche Fleischsorten und wie viel sie gerne möchten. Das wird dann nach Möglichkeit bei der Aufteilung berücksichtigt. 5-mal im Jahr, meistens im Anschluss an Feiertage, ist Schlachttag. Einmal davon, im Oktober, ist großes Hoffest, bei dem viele zusätzliche Aktivitäten angeboten werden. Die Kapazitätsgrenze pro Schlachtung liegt bei 5 Tieren, mit durchschnittlich 100 Kunden. Der Verkauf findet jeweils an einem einzigen Tag statt, an dem dann auch ein Imbiss sowie Getränke angeboten werden. Zum Abschluss der Besichtigung lädt uns Familie Rühe zur Kaffeetafel ein, die gleichzeitig auch den Abschluss dieser erlebnisreichen Reise bedeutete.

Bilder zum Besuch bei der Familie Rühe gibt es in der Galerie.

Vielen Dank den Organisatoren sowie den Züchtern, die so bereitwillig ihre Betriebe und die Tiere vorgestellt haben. Die Probleme zur DDR-Zeit, die von verschiedenen Seiten so lebendig geschildert wurden, waren für die Reisegruppe aus dem Westen Deutschlands unvorstellbar. Es war beeindruckend und hoch interessant, wie jeder anders auf die Herausforderungen bei der Wende reagiert und seine Chance ergriffen hat.